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25.1 Schädliche Substanzen in Verpackungsmaterialien

25.1.1 Phthalate und Bisphenole in Plastik

Hormonell aktive Substanzen finden sich in zahlreichen Gegenständen unseres täglichen Lebens wieder. Besonders bedenklich ist der Übergang von Verpackungsmaterialien auf Nahrungsmittel. Hierzu existieren zunehmend Studien, vor allem über Phthalate und Bisphenole. Auch die Behörden erlassen erste, aus unserer Sicht noch unzureichende, Regulierungen einzelner Stoffe. Die WHO und die UNEP (United Nations Environment Programme) folgerten bereits in einer gemeinsamen Veröffentlichung des Jahres 2012, dass hormonell aktive Substanzen (EDCs = endocrine disrupting chemicals) eine globale Gesundheitsbedrohung darstellen. (116) Dabei wurden drei Hauptpunkte formuliert:

  • Die Anzahl und Zunahme der hormonell-bedingten Störungen beim Menschen.
  • Die zunehmenden Beobachtungen von endokrinen Störungen bei Wildtieren.
  • Der Nachweis hormonell wirksamer Substanzen in Laborversuchen.

Die hormonell aktiven Substanzen umfassen unterschiedlichste Chemikalien. Ihnen gemein ist die Interaktion mit dem endokrinen System des Menschen, wodurch sie Veränderungen von Organen, des Immunsystems, Stoffwechsels, der Reproduktion und des Verhaltens hervorrufen. (683) Je nachdem, wie weit die Definition der hormonell aktiven Substanzen gefasst wird, gehören hierzu Stoffe aus diversen chemischen Gruppen:

  • persistierende organische Verbindungen (POPs) wie z. B. PCB,
  • polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe,
  • Weichmacher wie Phthalate und Bisphenol-A,
  • Pestizide und
  • Metalle wie z. B. Methylquecksilber. (683)

Aus dieser großen Bandbreite chemischer Substanzen stehen in den letzten Jahren besonders Weichmacher aus Plastikmaterialien im Fokus der Untersuchungen. Zum einen werden die verdächtigen Substanzen in besonders hoher Konzentration in Plastikflaschen und Lebensmittelverpackungen gefunden, zum anderen weisen in jüngerer Zeit vermehrt Studien darauf hin, dass Phthalate und Bisphenole deutlich negative gesundheitliche Auswirkungen besitzen. Generell weisen sowohl Tierstudien als auch Beobachtungen beim Menschen in den USA und Europa darauf hin, dass hormonell aktive Substanzen mit der beobachteten Verschlechterung der Samenqualität in Zusammenhang stehen könnten. Auch das immer frühere Einsetzen der Pubertät bei Mädchen könnte eine Ursache in der vermehrten Exposition mit hormonell aktiven Substanzen finden. (684)

Besorgniserregend ist die Exposition von Schwangeren und damit die Entwicklung des Fötus, denn diese scheint nachhaltige Folgen für die langfristige Gesundheit des ungeborenen Kindes zu haben. Auch an Tierversuchen konnten zuvor schon negative Effekte auf die fetale Entwicklung gezeigt werden. Eine Erklärung hierfür liefert das relativ junge Forschungsfeld der Epigenetik. Hier konnten Veränderungen der DNA durch hormonell aktive Substanzen gezeigt werden. Phthalate beispielsweise sind in der Lage, epigenetische Veränderungen durch DNA-Methylierung zu verursachen. (685) Die Methylierung der DNA bewirkt eine Veränderung der Genexpression oder, vereinfacht gesagt, moduliert die Aktivität der Gene. Diese Veränderungen können Auswirkungen auf Erkrankungen im späteren Leben haben und so an der Entstehung von Übergewicht, Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, Unfruchtbarkeit, Schilddrüsenstörungen, Parkinson und Krebs beteiligt sein – allesamt Erscheinungen, die in unserer modernen Gesellschaft bedenklich zunehmen. (116,683,684)

Die Anwendung hormonell aktiver Substanzen ist längst absolut gängig – wobei die Sicherheit der meisten Substanzen im Vorfeld nicht oder nur sehr unzureichend getestet wurde. (686) Vor allem in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Plastik finden sich nachgewiesenermaßen zahlreiche hormonell aktive Substanzen. Dies wurde auch vonseiten der Behörden erkannt und führte zum Verbot von Bisphenol-A in Säuglingsflaschen und
-saugern. Ein grundlegendes Problem ist jedoch, dass stetig neue (Nachfolge-)Verbindungen hinzukommen, welche ungetestet und unter Umgehung der Regulierungen eingesetzt werden.

Mittlerweile gut erforscht – und leider nur in Teilen reguliert – sind die Wirkungen von Bisphenol-A und Phthalaten. Bisphenol-A wird in Plastikgeschirr, Trinkflaschen, Lebensmittelverpackungen inklusive Lebensmittelkonserven verwendet. Auch in Bodenbelägen, Klebstoffen und Thermopapier wie Kassenzetteln kommt Bisphenol-A vor.

Phthalate mit hohem Molekulargewicht finden sich in Baumaterialien wie PVC-Böden, Medizinprodukten und Lebensmittelverarbeitungs- und Verpackungsmaterialien. Phthalate mit niedrigem Molekulargewicht werden hauptsächlich als Lösungsmittel, aber auch in Kosmetikprodukten eingesetzt. (687) Ein detaillierter Überblick über das Thema Lösungsmittel findet sich in Kapitel 11.

Phthalate und Bisphenole können sowohl über den Magen-Darm-Trakt als auch Inhalation und über die Haut in den menschlichen Körper gelangen. Schätzungen zufolge werden jedoch mehr als 90 % auf die Nahrungsaufnahme, und somit die Ausgasungen von Verpackungsmaterialien, zurückgeführt. (688) Phthalate und Bisphenole sind chemisch nicht fest gebunden. Daher können sie leicht aus Lebensmittelverpackungen auf die Nahrungsmittel übergehen und gelangen so in den menschlichen Organismus. (689)

Im Gegensatz zu hormonell aktiven Substanzen anderer Klassen (z. B. persistierende organische Verbindungen), werden Phthalate und Bisphenole mit einer Halbwertszeit von unter 24 Stunden sehr schnell und hauptsächlich über den Urin wieder ausgeschieden. (688) In dieser Zeit entfalten sie jedoch ihre hormonähnlichen Wirkungen.

Verschiedene Studien belegen, dass hormonell aktive Substanzen vor allem in verpackten Lebensmitteln und Fast Food vorkommen, während unverpackte Lebensmittel deutlich weniger belastet sind. (683) Dementsprechend konnte nachgewiesen werden, dass die Aufnahme von weniger stark verarbeiteten Nahrungsmitteln mit einer geringeren Phthalat- und Bisphenol-Konzentration im Urin assoziiert ist. (689)

Einzelne Studien weisen darauf hin, dass der Verzehr von Fast Food vor allem zu höheren Phthalatbelastungen führt: Vermehrter Fast Food Konsum ist assoziiert mit einem Anstieg der Phthalatausscheidung um mindestens 20 bis 40 %, während Bisphenol-A möglicherweise eher ein Problem bei der Verwendung von Plastikgeschirr und -trinkflaschen ist und vor allem beim Erhitzen und Einfrieren in entsprechenden Plastik-Mehrwegmaterialien eine Rolle spielt. (688) Bei Lebensmittelverpackungen befinden sich die bedenklichen Phthalate heute hauptsächlich in PVC (Polyvinylchlorid) in Form von Folien und Deckeldichtungen. Die giftigen Substanzen gehen besonders leicht in fetthaltige Nahrungsmittel über. Regelmäßige Untersuchungen der Stiftung Warentest an Olivenölen zeigen aber, dass die Verunreinigungen in den letzten Jahren stetig abgenommen haben, bis zuletzt im Jahr 2018 keine Weichmacher in Olivenölen mehr nachgewiesen wurden. (690)

Im Gegensatz zu PVC kommen andere Kunststoffe gewöhnlich ohne Weichmacher aus: Hierzu gehören PE (Polyethylen), oft erkennbar am Recyclingcode 02 oder 04 und PP (Polypropylen), oft erkennbar am Recyclingcode 05. (691) Auch Getränkeflaschen aus PET (Polyethylenterephthalat) gelten als frei von Weichmachern. Dennoch sorgte eine Untersuchung der Universität Frankfurt im Jahr 2009 für Aufregung: Den Wissenschaftlern zufolge befanden sich in 12 von 20 untersuchten Mineralwässern aus PET-Flaschen hormonell aktive Substanzen. Ob diese jedoch tatsächlich auf die PET-Verpackung zurückgehen oder aus anderen unbekannten Quellen stammen, ist dem Versuchsaufbau nicht zu entnehmen. (692)

Die maximale tolerierbare tägliche Aufnahme für Phthalate und Bisphenol-A liegt laut EFSA bei 50 µg/kg Körpergewicht (Phthalate) bzw. 4 µg/kg (Bisphenol-A). Demgegenüber liegt die geschätzte tatsächliche Aufnahme dieser Substanzen zwar im Mittel deutlich unterhalb dieser Grenzwerte, in einigen Regionen werden aber durchaus Spitzenwerte von 60 µg/kg für Phthalate (China) oder 65 ng/kg für Bisphenol-A (Italien) erreicht. (683,693)

Viel bemerkenswerter ist jedoch die Tatsache, dass Phthalate bei 98 % und Bisphenol-A bei 90 % der Erwachsenen im Urin nachweisbar sind und insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter im Mittel höhere Werte aufweisen als der Durchschnitt der Bevölkerung: Phthalate sind in den USA bei 88 bis 100 % der Frauen nachweisbar, Bisphenol-A bei 96 % und Bisphenol-S bzw. Bisphenol-F als Nachfolgesubstanzen des BPA bei immerhin 88 respektive 66 %. (683,687,688) Dies ist besonders kritisch einzuschätzen, da in epidemiologischen Studien gezeigt werden konnte, dass die Belastung mit diesen Substanzen mit vermehrten Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen zusammenhängt und bei den Kindern zu Verhaltensproblemen, Asthma, Allergien und späterer Insulinresistenz sowie Übergewicht führen kann. (687,688,694,695)

Seit 2011 ist Bisphenol-A zwar in Babyflaschen verboten, die Nachfolgesubstanzen Bisphenol-F und -S zeigen aber ähnlich schadhafte Effekte wie Bisphenol-A. Die östrogenähnlichen bzw. anti-androgenen Wirkungen könnten sogar die des Bisphenol-A noch übersteigen. (683,689) Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang auch die Exposition über Thermopapier (Kassenzettel). Seit Januar 2020 ist die Verwendung von Bisphenol-A in Thermopapier zwar europaweit verboten, jedoch wird gleichzeitig registriert, dass die Verwendung von Bisphenol-S ansteigt. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA schätzt, dass 2022 etwa 61 % des Thermopapiers Bisphenol-S enthält. (696)

Für eine Übersicht anderer bedenklicher Substanzen in Verpackungsmaterialien siehe Kapitel 25.

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